Glattfelden 11.03. - 12.04.24

 

Ausstellung

Galerie Gottfried-Keller-Zentrum

11. März – 12. April 24

www.gkz.ch

 

Öffnungszeiten

Galerie Gottfried-Keller-Zentrum

Mo-Fr 09-11.30 Uhr & 14-17 Uhr

 

Sa 6. & So 7. April 24, 14-16 Uhr

(GKZ-Museum & GKZ-Galerie)

 

 

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Veranstaltungen

 

 

Kurator Matthias Peter führt durch die Ausstellung und schlüpft als Schauspieler in die Rolle von Jakob Senn

 

Sa 16.03.24, 16 Uhr

Vernissage & Vortrag

zur «Alphabetisierung & Literarisierung»

Eintritt frei

 

So 07.04.24, 16 Uhr

Theaterstück

«Jakob Senn – Der ‘Grüne Heinrich’ von Fischenthal»

Eintritt: CHF 30.-- / Mitglieder CHF 25.--

 

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Jakob Senns Roman «Hans Grünauer»

und seine Beziehung zu Gottfried Keller

 

Über den Winter 1862/63 verfasst Jakob Senn in Zürich sein Hauptwerk, einen autobiografisch grundierten Entwicklungsroman. Anfang Mai schliesst er die Arbeit ab, der er in Anlehnung an Gottfried Kellers Roman «Der Grüne Heinrich» den Titel «Hans Grünauer» gibt.

 

Bittschreiben an Gottfried Keller / Noch im Mai 1863 schickt Jakob Senn einen Teil des Manuskripts Gottfried Keller zur Begutachtung zu, in der Hoffnung, dass der fünf Jahre ältere und erfolgreiche Schriftsteller es an einen Verleger vermitteln könne.

 

Persönliche Bekanntschaft / Jakob Senn dürfte in Zusammenhang mit dem 1861 erfolgten Nachdruck der Erzählung «Romeo und Julia auf dem Dorfe» in seiner Zeitschrift «Grüne Wälder» mit Keller Bekanntschaft geschlossen haben. Spätestens aber bei der Übergabe des Manuskripts im Mai 1863 ist es zu einer persönlichen Begegnung zwischen den beiden Männern gekommen, wie aus dem Brief hervorgeht, in dem Jakob Senn am 28. Juli 1863 bei Keller dem Manuskript nachfragt.

 

Reaktion nicht dokumentiert / Eine Antwort Gottfried Kellers ist nicht bekannt. Der Roman «Hans Grünauer» bleibt bis auf weiteres ungedruckt.

 

Gottfried Keller (1819-1890), Fotografie, ca. 1870

Faksimile von Jakob Senns Brief an Gottfried Keller

 

 

Hochgeehrter Herr,

Ich erlaubte mir vor zwei Monaten, Ihnen die Hälfte eines grösseren Manuskriptes zur gütigen Durchsicht und Beurtheilung zu übermitteln. Wie ich indess recht gut wissen musste, konnte solches nicht das Werk einiger flüchtiger Stunden sein und da mir zugleich denkbar war, dass Sie fortwährend durch viel anderes und Wichtigeres in Anspruch genommen würden, so hätte ich Sie schon billigkeitshalber mit meiner Zumuthung nicht behelligen sollen. Allein - wie ich Ihnen bereits mündlich verdeutet - ich kenne so gar niemanden, zu dem ich auch nur entfernt das Vertrauen haben könnte, das mich für Sie erfüllt, darum wagte ich es, ohne ängstliche Rücksicht auf jene weiteren Anforderungen an Ihre Thätigkeit, mich doch nur an Sie zu wenden, getragen von einer gewissen Zuversicht, dass Sie all das wenigstens nicht zürnend interpretieren würden.

 

Hochgeehrter Herr, es liegt mir sehr viel an der fraglichen Arbeit, da ich die besten Stunden einer langen Zeit darauf verwendet und auch das relativ Beste darin geleistet zu haben glaube, was mir je möglich war und vielleicht je möglich sein dürfte. Wie schon die autobiographische Form vermuthen lassen wird, enthält die Arbeit vorwiegend, ja wenn man will ausschliesslich, Selbsterlebtes. Liess ich mir nun sicherlich nicht beifallen, meine Erlebnisse für so ausserordentlich wichtig zu halten, dass sie an sich einer solchen Schilderung würdig wären, so dürfte ich doch voraussetzen, dass sie bei einigermassen gelungener Darstellung immerhin so interessant gefunden werden dürften, wie manche andere Erzeugnisse der belletristischen, vorzüglich der Dorfgeschichte verwandten Tagesliteratur. Sämtliche Daten sind in ihren Hauptzügen durchaus wahr, und wann es immer ebenso unterhaltend als belehrend erschien, das Ringen eines lediglich auf seine eigene Thätigkeit angewiesenen, nach einem höheren oder ferneren Ziele Strebenden mit seinen Erfolgen und Erfolglosigkeiten zu beobachten, zumal wenn letztere nicht durchweg und bis ans Ende die Oberhand behaupteten, so darf ich hoffen, dass meine Arbeit ihre Freunde finden werde. Ich bin Autodidakt im strengsten Sinne des Wortes, und ich ward es natürlich nicht etwa aus Originalitätssucht, sondern aus Mittellosigkeit; dass daher meine Bildungswege jedenfalls keine Blumenpfade waren, lässt sich denken. Das Nähere hierüber sagt Ihnen meine Arbeit (Kap. 4 und 6 etc.)

 

Hochgeehrter Herr, meine ergebene Bitte geht nun dahin, Sie möchten, falls Sie durch Lesung des ganzen Manuskriptes gar zu lange hingehalten werden sollten, gütigst nur einzelne Kapitel oder Episoden einer näheren Durchsicht würdigen. Ich habe wissentlich keine Zeile flüchtiger als die andere bearbeitet, sodass Sie sich mit gutem Gewissen des Einzelnen als Massstab für das Ganze bedienen dürfen. Da der Inhalt durchweg ein gegebener und bloss zu wählen war, so war es mir umso eher möglich, der Darstellung alle Sorgfalt zuzuwenden, und ich that es mit dem klaren Bewusstsein, dass dieselbe nichts weniger als Nebensache sei. Und dass ich in dieser Hinsicht wenigstens nicht mehr ganz im Finstern tap[p]e, mag ein Urtheil Dr. Toblers in Bern beweisen, der mir vor anderthalb Jahren über eine kleine Arbeit schrieb: «Der Styl ist fliessend, die Darstellung untadelhaft.» Ganz ähnlich urtheilten über andere meiner Arbeiten Dr. Jakob Frei und Dr. Mühly in Basel. - Schliesslich, auf den Fall hin, dass Sie meine Arbeit hinlänglich gelungen fänden, möchte ich Sie noch einmal so dringend bitten, mir behülflich sein zu wollen, einen Verleger für dieselbe zu gewinnen.

 

Zürich, 28.7.63

 

Hochachtungsvoll ergeben

Jakob Senn

im Schlössli Lindenhof